Der Berliner Fahrgast liebt es ja gerne etwas luftig. Wenn er sich denn schon mit einem Blitzstart in Tram oder S-Bahn hineinkatapultiert hat, ohne die anderen aussteigen zu lassen. Und wenn er seinen Fensterplatz ergattert hat, dann lässt er auch sogleich durchblicken, dass ihm keiner auf die Pelle rücken soll. Die Einkaufstüte oder das Fitnessstudioset werden stilvoll auf den Nebenplatz drapiert, damit auch niemand auf die Idee käme, sich setzen zu wollen. Man könnte doch demütig sein, dass man mitfahren darf.
Sollten es ältere Mitmenschen tatsächlich unbeschadet in die Bahn geschafft haben, dürfen sie froh sein, wenn ihre Hand einen der Haltegriffe in Reichweite zu fassen bekommt. Falls ein junger Mensch freundlich lächelnd mit der einladenden Geste einen Sitzplatz anbietet, ist es garantiert ein Spanier, eine Italienerin oder ein Engländer. Junge Deutsche bleiben auf jeden Fall hartnäckig sitzen, auch silikonnagelmanikürte Frauen und – Männer sowieso. Die sitzen meistens raumgereifend, selbst dann, wenn sie keinen Rucksack auf dem Nebenplatz abstellen müssen. Mitreisende Frauen wissen ja, Männer allen Alters brauchen etwas Luft zwischen ihren Schenkeln, damit sie keine Wundstellen bekommen.
Selbst in der übervollen Regionalbahn wird der männliche Freiraum hartnäckig gegen ein schmales sechsjähriges Mädchen verteidigt. Zugegeben, das Abteil für klappbares oder sperriges zwei- und vierrädriges Transport- und Rollgut hat seine eigenen Gesetze, doch für das schlanke Mädchen ist auf einem Klappsitz allemal Platz. Doch da sind zwei ausladende Männer vor, die gar nicht daran denken, den Sitzplatz freizugeben. Artig steht das Mädchen neben Mutter, Geschwisterchen im Kinderwagen und den Hightechbikes der Mitfahrenden, obwohl man ihm die Anstrengungen des Tages anmerkt. Von einer Frau auf den freien Platz zwischen den zwei Männern aufmerksam gemacht, folgt prompt die männliche Reaktion: Es sei doch wohl etwas eng hier! Der Klassiker! Eben.
Jeder will seinen Sitzplatz und das möglichst schnell um gleich wieder sich dem Liebesspiel widmen zu können – am Smartphone. Heute auch wieder einen lauten Mitfahrer genossen, der sehr mit sich beschäftigt war endlich alles was ihn so an Berlin ärgert los werden zu können – Welcome to Berlin.
Aber der Sommer hier ist toll – weiter so 😉
Und schon weiss ich wieder, warum ich ohne mein eigenes Auto keinen Schritt machen möchte 🙂
Danke für das wirklich nette Erinnerungsstück!!